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Das europäische Mehrwertsteuer-System soll 40 Jahre nach seiner Einführung reformiert werden. Es soll einfacher, robuster und effizienter werden. Welche Maßnahmen dies bewirken sollen, geht aus einer Mitteilung hervor, die die Europäische Kommission angenommen hat. Darin werden zudem die wesentlichen Merkmale festgelegt, die dem neuen MwSt-System zugrunde liegen müssen.
Laut Kommission stützt sich die Vision von einem neuen MwSt-System auf drei übergeordnete Ziele. Erstens müsse die Mehrwertsteuer für die Unternehmen praktikabler werden. Ein einfacheres, transparenteres MwSt-System würde die Unternehmen von erheblichen Verwaltungslasten befreien und zu einem intensiveren grenzübergreifenden Handel ermutigen. Dies wiederum komme dem Wachstum zugute. Zu den Maßnahmen für eine unternehmensfreundlichere MwSt gehörten die Ausweitung des Konzepts einer einzigen Anlaufstelle für grenzübergreifende Transaktionen, die Standardisierung von MwSt-Erklärungen und die Gewährleistung eines ungehinderten und leichten Zugangs zu den Einzelheiten aller nationalen MwSt-Systeme über ein zentrales Webportal.
Zweitens müsse die MwSt effizienter gestaltet werden, um die Konsolidierungsanstrengungen der Mitgliedstaaten und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu unterstützen, so die Kommission. Durch eine breitere Steuerbemessungsgrundlage und eine beschränkte Anwendung ermäßigter Steuersätze könnten ohne die Erhöhung von Steuersätzen neue Einnahmen für die Mitgliedstaaten geschaffen werden. In einigen Mitgliedstaaten könnte der MwSt-Regelsatz ohne Auswirkungen auf die Einnahmen sogar gesenkt werden, wenn Befreiungen und Ermäßigungen abgeschafft würden, meint die Kommission. In der Mitteilung würden die Grundsätze angeführt, nach denen sich die Überprüfung von Steuerbefreiungen und ermäßigten Steuersätzen richten sollte. Bei ihrer Überprüfung der Steuerpolitik der Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters will die Kommission zudem die Anwendung ermäßigter Steuersätze und Steuerbefreiungen in den Mitgliedstaaten analysieren.
Drittens müsse den gegenwärtigen «enormen» Einnahmeverlusten durch nicht erhobene Mehrwertsteuer und Betrug ein Ende gesetzt werden, fordert die Kommission. Schätzungen zufolge würden rund 12% der gesamten zu erhebenden Mehrwertsteuer nicht eingenommen (sogenannte Mehrwertsteuerlücke). Im Jahr 2012 werde die Kommission einen Mechanismus zur schnellen Reaktion vorschlagen, mit dem die Mitgliedstaaten bei Verdacht auf Betrug besser reagieren könnten. Zudem werde die Kommission untersuchen, ob die gegenwärtig bestehenden Mechanismen zur Betrugsbekämpfung, wie zum Beispiel Eurofisc, gestärkt werden müssen und welche Möglichkeiten für die Einrichtung eines grenzübergreifenden Audit-Teams zur Erleichterung multilateraler Kontrollen bestehen.
Die Frage nach einem Wechsel zu einem Mehrwertsteuersystem auf der Grundlage einer Besteuerung im Ursprungsland stellt sich nach Angaben der Kommission nicht länger. Die EU-Behörde sei zu dem Schluss gekommen, dass die Mehrwertsteuer weiterhin im Bestimmungsland (also in dem Land, in dem der Kunde ansässig ist) erhoben und die Kommission an der Schaffung eines modernen, auf diesem Grundsatz basierenden EU-Mehrwertsteuersystems arbeiten wird.
Am 01.12.2010 hat die Kommission ein «Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer – Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System» angenommen. Auf dieses Grünbuch folgte eine sechsmonatige öffentliche Konsultation, in deren Verlauf 1.700 Beiträge von Unternehmen, Akademikern, Bürgern und Steuerbehören bei der Kommission eingingen. Das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Arbeitsgruppe für Steuerpolitik, die sich aus persönlichen Vertretern der Finanzminister zusammensetzt, begrüßten das Grünbuch und bekräftigten die Notwendigkeit einer Reform des MwSt-Systems der EU. Parallel dazu führte die Kommission eine wirtschaftliche Bewertung des MwSt-Systems durch.
Den Wortlaut der Mitteilung und weitere Informationen zu den Plänen der Kommission für eine Mehrwertsteuer-Reform finden Sie auf der Internetseite der EU-Kommission.
Richter/Welling, Ausnahmen und Ermäßigungen bei der Umsatzsteuer – Reformbedarf und Reformvorschläge, ZErb 2011, 243
EU-Konsultation: Grünbuch Mehrwertsteuer, MMR-Aktuell 2010, 311915