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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach der Brüssel IIa-Verordnung präzisiert. Aus seinem Urteil vom 25.11.2021 geht hervor, dass ein Ehegatte, auch wenn er sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann, nach dem sich die örtliche Zuständigkeit des Scheidungsgerichts richtet.
Im Ausgangsverfahren geht es um die Scheidung der Ehe eines Franzosen mit einer Irin. Das Paar hatte in Irland geheiratet und dort mit drei gemeinsamen Kindern jahrelang gelebt. Der Kläger reichte in Frankreich Scheidungsklage ein, weil er seinen Angaben nach jede Woche zum dortigen Mittelpunkt seiner beruflichen Interessen zurückgekehrt war und der gewöhnliche Aufenthalt in Frankreich liege. Das nach der Unzuständigkeitserklärung des Eingangsgerichts mit der Sache befasste Berufungsgericht sieht gleichwohl eine persönliche und familiäre Verbindung zu Irland und damit einen tatsächlichen Aufenthalt an zwei Orten für gegeben. Es bat dem Gerichtshof um Klärung, welche Gerichte für die Entscheidung über die Scheidung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel IIa-Verordnung zuständig seien und wollte wissen, ob ein Ehegatte, der sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Mitgliedstaaten haben kann, sodass die Gerichte beider Mitgliedstaaten für die Entscheidung über die Scheidung zuständig sind.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten präzisiert und entschieden, dass ein Ehegatte, auch wenn er sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, nur einen gewöhnlichen Aufenthalt in Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel IIa-Verordnung haben kann. Weder Art. 3 Abs. 1 Buchst. a noch eine andere Bestimmung der Brüssel IIa-Verordnung sähen vor, dass eine Person gleichzeitig mehrere gewöhnliche Aufenthalte oder einen gewöhnlichen Aufenthalt an mehreren Orten haben könne. Dies würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen und es schwieriger machen, im Voraus die Gerichte zu bestimmen, die über die Scheidung entscheiden können, sowie die Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit durch das angerufene Gericht erschweren.
Der "gewöhnliche Aufenthalt" für die Bestimmung der Zuständigkeit des Scheidungsverfahrens knüpfe an den Willen des Betroffenen, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an einen bestimmten Ort zu legen sowie an eine hinreichend dauerhafte Anwesenheit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats an. Ein Ehegatte könne zwar im gleichen Zeitraum an mehreren Orten einen Aufenthalt, aber nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel IIa-Verordnung haben. Verbringe ein Ehegatte sein Leben in zwei Mitgliedstaaten, seien daher allein die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich dieser gewöhnliche Aufenthalt befinde für die Entscheidung über den Antrag auf Auflösung der Ehe zuständig.
Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem dieses Gericht liegt, im Sinn von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Brüssel IIa-Verordnung dem Ort entspreche, an den der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt habe.
Das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-289/20 finden Sie auf den Internetseiten der Europäischen Justiz (nur in französischer Sprache).
OLG Oldenburg, Scheidungsstatut bei mehrfachem gewöhnlichen Aufenthalt, BeckRS 2010, 12612
Becker, Zwischenruf - Die Harmonisierung des Familienrechts in Europa, ZRP 2010, 233
Weg frei für einheitliche Regelung grenzüberschreitender Scheidungen in 14 EU-Staaten, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 04.06.2010, becklink 1001403